26. 02. 2024 | MFI Asset Management

Kommentar: ESG in der Finanzbranche

Anlegerakzeptanz nur durch Überzeugungsarbeit möglich
ESG in der Finanzbranche – mein Zwischenfazit

Anfang Februar fand in Berlin wieder die Konferenz „Sustainable Finance and Biodiversity“ statt und ich konnte auf Einladung von Frau Verena Menne, Geschäftsführerin des FNG das erste Mal daran teilnehmen.
Die Arbeit des Sustainable-Finance-Beirats hat mich tief beeindruckt. Wir haben bei uns in der LAIQON AG zudem das Privileg, mit Herrn Michael Schmidt (Senior Advisor) einen echten Experten dieses Gremiums im Unternehmen an Bord zu haben. Als ständiges Mitglied im Sustainable Finance-Beirats der Bundesregierung setzt er sich aktiv für die Stärkung der finanziellen Risikobewältigung und für die Förderung für mehr Transparenz und Langfristigkeit in der Finanz- und Wirtschaftswelt ein.
Zugegebenermaßen habe auch ich mich anfangs gefragt, ob die Online-Teilnahme nicht völlig ausreichend ist aber dann „live“ dabei zu sein war doch etwas ganz anderes. Wertvolle und inspirierenden Gedanken aus den Vorträgen und Podiumsdiskussionen und viele Pausentalks haben bei mir die Dringlichkeit des Themas wieder in den Fokus gerückt und waren ein absoluter Mehrwert.

Die Fragen zum Thema Nachhaltigkeit bewegen uns alle:

▪ Warum ist Biodiversität wichtig?
▪ Wen betrifft das überhaupt?
▪ Was bedeutet Biodiversität für die Finanzwelt?
▪ Wie wird Biodiversität eigentlich gemessen?
▪ Wo stehen wir bisher mit unseren Handlungen?

Folgende Erkenntnisse konnte ich bei den Vorträgen und Podiumsdiskussionen gewinnen:

Alle, der Finanzsektor wie auch die Industrie, steht vor großen Herausforderungen in der Berücksichtigung von ESG. Besonders in der Erhaltung der Biodiversität, der Landwirtschaft und den Waldökosystemen. Die Datenlage wurde allgemein als sehr gut bezeichnet. Jedoch beim Großteil der Teilnehmer war ersichtlich, dass die Deutung der Daten aufgrund einer fehlenden einheitlichen und unmissverständlichen „Sustainable Financial Language“, ein großes Potenzial an nicht zielführenden unternehmensisolierten Strategien zur Folge hat. Viele sind überfordert und holen sich teure ESG-Beratungen, wobei doch gesagt werden muss, dass die Einordnung der Geschäftsprozesse, Produkte und Dienstleistungen nie allein den Beraterinnen und Beratern überlassen werden kann. Die Beachtung der Core-Produkte oder -Dienstleistungen unter Berücksichtigung des Marktes, der Nachfrage und Anleger-Akzeptanz darf bei allen Aktionen im Unternehmen nicht zu dessen Unwirtschaftlichkeit führen (Anlegerinnen und Anleger verprellen, Mitarbeiter frustrieren, usw.).

Noch war großer Enthusiasmus spürbar aber auch die Sorge, wie es zielgerichtet weitergehen soll. Alle müssen mit anpacken, das war Konsens und jedem der Teilnehmerinnen und Teilnehmer bewusst.
Wir von LAIQON, mit Herrn Dr. Robin Braun, Head of Group Sustainability, sehen uns der Herausforderung täglich gestellt: Wie funktioniert Veränderung bei uns? Wie verankern wir ESG in die Unternehmenskultur, ohne unseren eigentlichen Auftrag der Anlegerinnen und Anleger außer Acht zu lassen?

Im laufenden "Informieren" und "Kommunizieren" sehen wir unsere wichtigste Aufgabe im Moment, unsere Kollegen und Kolleginnen mitzunehmen. Schritt für Schritt Überzeugungsarbeit zu leisten, dass Biodiversität und Klimaschutz zentrale Themen unserer Zeit sind und langfristig die Zukunftsfähigkeit unseres Unternehmens sichert. Dadurch entsteht Mehrwert für uns, die Anlegerinnen und Anleger und auch langfristig für die gesamte Gesellschaft.

Zusammenfassung meiner Eindrücke, der dort diskutierten Themen:

  • Finanzakteure erkennen zunehmend das Risiko für die Natur – mehr Investitionen, die sich positiv auf die Natur auswirken, sind notwendig. Allerdings sehen das nicht alle so, aber wie lassen sie sich besser motivieren?
  • ESG-Daten liegen in Fülle vor – in aller Unterschiedlichkeit. Oft sind sie jedoch unternehmensgebunden und nicht frei zugänglich. Jeder sammelt und wertet selbst aus. Wie kann eine einheitliche globale Sammlung und Statistik erreicht werden? Die europäische Verordnung über Wertpapierzentralverwahrer (CSRD) der EU wird dazu als ein wichtiger Meilenstein gesehen. Aber was ist mit den anderen Teilen dieser Welt?
  • Die Regulierung sollte priorisiert werden, denn die Vielfältigkeit der Daten lässt vielfältige Definitionen zu. Eine gemeinsame verständliche „Sustainable Financial Language“ fehlt. Herr Christian Heller CEO of the Value Balancing Alliance und stellvertretender Vorsitzender der SFB hat das für mich sehr klar benannt und sprach in Bezug auf Human Capital, Natural Capital und Social Capital von der Notwendigkeit, die externen Effekte positiver und negativer Renditen zu messen. Aber auch davon, diese Effekte zu überwachen und sie zu managen, etwas salopp gesagt „What you can't measure you can't manage“.
  • Ministerin Steffi Lemke (BMUV) verdeutlichte in ihrem Vortrag, bei welchem leider keine Rückfragen möglich waren, dass Auswirkungen und Folgen im Naturkapital und in der Biologischen Vielfalt nicht mehr alleine durch Fördermittel getragen werden können. Sie sprach von der „Gretchenfrage“: Wie machen wir das mit der Umstellung und Erhaltung der Biodiversität (Biodiversität in der Landwirtschaft, Waldökosystemen und Artenvielfalt)? Was ist praktikabel, sodass es zu keinem gesellschaftlichen Streit kommt?


Mein persönliches Fazit:

  1. Klimaschutz und Biodiversität gehören untrennbar zusammen. Es ist eine Interaktion zwischen CO2 und Artenvielfalt, denn die negativen Effekte des Klimawandels und der damit verbundene Biodiversitätsverlust könnten irreversibel sein. Das ist leider noch nicht allen bewusst und ich finde, dass wir gemeinsam, Policymaker (Entscheidungsträgern) und Wirtschaftswelt dieses Thema jetzt verstärkt in den Fokus rücken sollten.
  2. „Es gibt keinen sicheren Weg zum Erfolg, aber einen sicheren Weg zum Misserfolg: Es allen recht machen zu wollen.“ (Zitat Platon). Das heißt, es ist wichtiger jetzt zu beginnen - mit aller Unterschiedlichkeit und auf verschiedenen Wegen, als aufgrund unvollständiger Regulatorik, diffuser „Sustainable Financial Language“ oder sonstigen individuellen Begründungen erst gar nicht zu starten. Eine gute und fundierte Nachhaltigkeitsanalyse ernst zu nehmen und ESG-Risiken, beginnend mit Klima und Biodiversität, ins Risikomanagement einzubeziehen, könnten erste Schritte sein.


Abschließend fällt mir dazu noch folgender Vergleich ein: Die Haut ist viel empfindlicher, als wir meinten, und als Hauptursache für die Entstehung von Hautkrebs werden vor allem die intensive Sonnenbestrahlung und Sonnenbrände angesehen, die weit zurück in der Kindheit liegen. Frühzeitiger Schutz ist die beste Prävention; das wurde uns erfolgreich vermittelt. Bei der Natur ist es ähnlich, die Ursachen liegen oft lange zurück. Unsere Chance liegt in der gemeinsamen Akzeptanz und Aktionen zum Schutz des Naturkapitals.
Ich bin bestärkt darin, dass es noch NICHT zu spät ist und „Angstszenarien“ nicht zum Ziel führen.

Ist uns das Thema tatsächlich wichtig? Warum starten wir dann nicht sofort und gemeinsam mit einer begeisternden Themenkampagne, in kleinen, humorvollen Sketchen mit dem Ohrwurm: „Weil wir EUCH brauchen“? Wie lange diese Kampagne laufen, angepasst oder weiterentwickelt werden sollte, zeigen dann die Kennzahlen zur Bekanntheit dieser „Werbebotschaft“.

Ihre
Heila Scholl